Die Zinspolitik der Europäischen Zentralbank (EZB) zeigt nicht die erhoffte Wirkung auf die Konjunktur, denn das Verhalten der Sparer in Deutschland und anderen Euroländern durchkreuzt die Pläne der Währungshüter. Statt Geld auszugeben, legen die Menschen es trotz sinkender Realzinsen vermehrt auf die hohe Kante, was die wirtschaftliche Erholung bremst. Dadurch wird die Inflationsbekämpfung zu einer komplexen Herausforderung.
Das Ziel der EZB-Zinspolitik
Um die hohe Inflation im Euroraum zu bekämpfen, hat die EZB seit Mitte 2022 die Leitzinsen deutlich angehoben. Ein Leitzins ist das zentrale Instrument einer Notenbank, mit dem sie die Kosten für Kredite steuert. Die Theorie dahinter ist einfach: Wenn Kredite teurer werden, investieren Unternehmen weniger und Verbraucher konsumieren zurückhaltender. Diese nachlassende Nachfrage soll den Preisdruck dämpfen und die Inflationsrate wieder auf den Zielwert von zwei Prozent senken.
Gleichzeitig sollten höhere Zinsen das Sparen attraktiver machen. Allerdings kalkulierten die Währungshüter damit, dass die Bürger ihr Geld vor allem für den Konsum nutzen würden, um der Geldentwertung durch die Inflation zuvorzukommen. Diese Erwartung hat sich jedoch nicht erfüllt, was die Wirksamkeit der Zinspolitik erheblich beeinträchtigt.
Unerwartetes Sparverhalten der Privathaushalte
Entgegen den Annahmen der EZB haben die privaten Haushalte ihre Sparquote sogar erhöht. Anstatt ihr Geld auszugeben, bauten sie ihre Bankguthaben weiter aus. Allein in Deutschland stiegen die Einlagen von Januar bis Mai um 33 Milliarden Euro, während sie im gesamten Euroraum um fast 100 Milliarden Euro zunahmen. Die Menschen reagierten also mit einer sogenannten „Vorsichtsentsparung“.
Dieses Verhalten hat mehrere Gründe. Zum einen sorgt die hohe Inflation für Unsicherheit, weshalb viele Bürger einen finanziellen Puffer für unvorhergesehene Ausgaben zurücklegen. Zum anderen schichten viele Sparer ihr Geld von niedrig verzinsten Giro- und Tagesgeldkonten in besser verzinste Festgeldanlagen um. Davon profitierten besonders südeuropäische Banken, die mit attraktiven Angeboten um deutsche Sparer warben.
Folgen für Konjunktur und Geldpolitik
Das hohe Sparaufkommen hat direkte Auswirkungen auf die Wirtschaft. Wenn mehr gespart und weniger konsumiert wird, sinkt die gesamtwirtschaftliche Nachfrage, was wiederum das Wirtschaftswachstum bremst. Unternehmen verkaufen weniger Produkte und Dienstleistungen, weshalb sie weniger investieren und im schlimmsten Fall sogar Arbeitsplätze abbauen. Die Zinserhöhungen der EZB wirken sich also primär negativ auf die Investitionstätigkeit aus, während der private Konsum durch das Sparverhalten kaum angekurbelt wird.
Für die EZB entsteht dadurch ein Dilemma. Einerseits muss sie die Zinsen hoch halten, um die Inflation weiter zu bekämpfen. Andererseits riskiert sie mit dieser Strategie eine Verschärfung der wirtschaftlichen Stagnation oder sogar eine Rezession. Die Geldpolitik verliert an Effektivität, weil ein wichtiger Wirkungskanal – die Steuerung des Konsums – blockiert ist.
Was Sparer jetzt beachten sollten
Die aktuelle Situation zeigt, dass Zinsentscheidungen der EZB komplexe Folgen haben. Während die Sparzinsen gestiegen sind, bleibt die Realrendite – also der Zins nach Abzug der Inflation – oft negativ. Das bedeutet, dass das Ersparte trotz Zinserträgen an Kaufkraft verliert. Sparer sollten daher ihre Anlagestrategie überdenken.
Es kann sinnvoll sein, nicht nur auf klassische Spareinlagen zu setzen, sondern auch andere Anlageformen in Betracht zu ziehen. Langfristig orientierte Investitionen in Sachwerte wie Aktien oder Immobilien können dabei helfen, der Geldentwertung entgegenzuwirken. Allerdings ist hierbei eine gute Streuung des Vermögens wichtig, um Risiken zu minimieren.
